Was bringen Exoskelette für Querschnittgelähmte?
Der Welt wieder auf Augenhöhe begegnen – Exoskelette machen das für Rollstuhlnutzer möglich. Aber nur, wenn eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt ist.
Aus dem Rollstuhl aufstehen und wieder gehen zu können ist gewiss die Wunschvorstellung der meisten Querschnittgelähmten. Seit einigen Jahren macht eine technische Entwicklung von sich reden, die das prinzipiell ermöglicht, zumindest für einen Teil der Betroffenen. Immer wieder berichtet die Presse über langjährige Rollstuhlnutzer, die mit Hilfe von Exoskeletten wieder ans „Laufen“ gekommen sind. Unbedarfte Journalisten widerstehen nur selten der Versuchung, daraus entweder sensationsheischende oder rührselige „Gelähmter kann wieder laufen“-Stories zu machen.
Hilfe, aber keine Heilung
Betroffene wissen, dass das an der Realität vorbeigeht. Mehr Probleme als die Immobilität verursachen bei einer Querschnittlähmung die meist gestörte Sensibilität der betroffenen Areale, die Funktionsstörungen von Blase und Darm und noch etliche weitere lähmungsbedingte Folgeschäden. Das „Nicht-Laufen-können“ empfinden die meisten Betroffenen in Bezug auf die Gesamtsituation als das vergleichsweise geringere Problem. Und die neuen Hightech-Gehhilfen mögen zwar einen aufrechten Gang simulieren, am Gesamtphänomen Querschnittlähmung ändern können sie aber wenig.
Endlich praxistauglich
Exoskelette sind zunächst einmal rein mechanische, elektromotorisch bewegte Gehgestelle, in denen der Benutzer festgeschnallt wird. Der Bewegungsablauf erfolgt computergesteuert, der „Gehende“ stabilisiert den Prozeß mit der Nutzung von Unterarmgehstützen. Betrachtern vermittelt das das Bild eines sich an Krücken fortbewegenden Menschen. Möglich wurden Exoskelette durch Fortschritte auf verschiedenen Gebieten. Stromspeicher werden immer leistungsfähiger, Computer bieten immer mehr Rechenleistung in immer kompakterem Format und in Kombination mit hochfesten Materialien wir Carbon ermöglichte das die Entwicklung von Exoskeletten in praxistauglicher Form.
Unterschiedliche Ansätze
Mittlerweile tummelt sich eine ganze Reihe von Anbietern auf dem Markt. Dabei lassen sich verschiedene strategische Ansätze unterscheiden. Während einige Hersteller Produkte für den rein therapeutischen Einsatz in Kliniken entwickeln, arbeiten andere an Maschinen, die im privaten Umfeld zum Einsatz kommen und den Rollstuhl zeitweise ersetzen sollen. Einen weiteren Weg gehen Entwickler, die quasi autonom bewegungsfähige Exoskelette bauen, in denen auch Menschen mit höherer Lähmung fixiert werden können, und die Joystick-gesteuert ohne die Zuhilfenahme von Unterarmgehstützen auskommen. Einen Sonderweg beschreiten die japanischen Konstrukteure des Exoskelettes HAL. Dieses erhält seine Bewegungsimpulse durch myoelektrische Signale, die mittels Sensoren auf der Haut des Probanden detektiert werden und so die Gehhilfe steuern. Ziel des Einsatzes von HAL ist es im Unterschied zu anderen Exoskeletten, vor allem vorhandene Restfunktionen wieder aufzutrainieren und dem Gelähmten so zu mehr Mobilität zu verhelfen.
Nicht für jedermann
Die auf Außenstehende beeindruckend wirkenden Bilder von Querschnittgelähmten, die sich mit Exoskeletten fortbewegen, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Maschinen nicht die Ursache der Lähmung therapieren, sondern bei deren Auswirkungen ansetzen. Auch ist die Möglichkeit ihres Einsatzes mit einer ganzen Reihe von Voraussetzungen verknüpft, die erfüllt sein wollen. Kontrakturen und Spastiken können Ausschlusskriterien sein. Die Hersteller machen bestimmte Vorgaben in Bezug auf Gewicht und Körpergröße der Probanden. Auch muss bei erforderlicher Nutzung von Unterarmgehstützen die uneingeschränkte Funktion der oberen Extremitäten gewährleistet sein, was Einschränkungen in Bezug auf die Lähmungshöhe mit sich bringt.
Neue Möglichkeiten
Vor allem vor dem Hintergrund, dass Exoskelette immer kompakter und leistungsfähiger werden, ist davon auszugehen, dass sie in Therapie und Praxis auf mittlere Sicht einen festen Platz im Spektrum der Möglichkeiten einnehmen werden, Querschnittgelähmten zu mehr Mobilität zu verhelfen. Dieser Einsicht versperren sich auch die Kostenträger nicht, die dieser Option in zunehmendem Maß aufgeschlossen gegenüberstehen.
Wird die Nutzung von Exoskeletten für Querschnittgelähmte auf absehbare Zeit so selbstverständlich sein wie der Gebrauch des Rollstuhls? Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie in einem ausführlichen Bericht in Ausgabe 2/2019 des Paraplegiker in dem Beitrag „Das Wunder, das keines ist“.