SCHNELLE
HILFE

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Wer wird wann geimpft?

Impflotterie – das totale föderale Chaos

Als endlich im Dezember in Deutschland die Impfzentren öffneten, atmeten viele von Querschnittlähmung Betroffene auf. Als Angehörige einer Risikogruppe hofften sie auf baldige Berücksichtigung. Nicht alle Hoffnungen haben sich indes erfüllt. Die Zulassungsbestimmungen für die Impfung haben Lotteriecharakter. Die Gewinnchancen werden entscheidend davon beeinflusst, in welchem Bundesland man wohnt. Unter anderem.

Den Anspruch, die geltenden gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf Corona so zu kommunizieren, dass sie von den Betroffenen verstanden werden, haben die Entscheider in Bund und Ländern entweder nie gehabt, oder sie haben schlicht und einfach vor der Aufgabe kapituliert. Insofern kann es nicht wundern, dass es um die Transparenz in Sachen Impfgeschehen kein Stück besser bestellt ist als um die Informationen zur Corona-Lage allgemein. Müßig deshalb, an dieser Stelle über die aktuell geltenden Bestimmungen zu informieren. Es hält sich sowieso keiner dran.

Anders wäre es nicht zu erklären, dass eine bundesweite Umfrage unter den Peers der FGQ nicht nur von Bundesland zu Bundesland höchst unterschiedliche Ergebnisse erbrachte, sondern dass Betroffene auch in den jeweiligen Ländern von gegensätzlichen Erfahrungen berichteten. Dabei spielten augenscheinlich tagesaktuelle Erlasse, die unterschiedliche Handhabung in verschiedenen Städten und Gemeinden und die Tagesform des Impfpersonals vor Ort entscheidende Rollen. Anders als es die Nachrichtenlage glauben machen will, gibt es keineswegs bundeseinheitlich praktizierte Spielregeln (erst die 80jährigen, dann Jüngere etc.), sondern darüber hinaus noch eine Fülle von flexibel gehandhabten Ausnahmen, je nach Bundesland. Während beim einen schon ein Anruf beim Gesundheitsamt mit Schilderung der persönlichen Situation genügte, wurde ein anderer im gleichen Bundesland kategorisch abgewiesen. Originell auch die Argumentation, mit der ein Peer mit häuslicher 24-Stunden-Assistenz abgewiesen wurde: „Künstliche Beatmung ist nur ein Kriterium bei Heimunterbringung. Da sie in häuslicher Pflege leben, sind sie ja nicht besonders gefährdet.“ Glücklich die Brandenburger. In ihrem Land gibt es eine Telefonhotline für Vorerkrankte, die dem Vernehmen nach sogar funktioniert.
Verschiedene Peers wählten die brachiale Methode, einfach ohne Schilderung der näheren Umstände einen Termin zu erkämpfen und vor Ort unter Verweis auf ihre Lage zu insistieren. Überwiegend mit Erfolg, gerne verbunden mit der Ermahnung „Aber erzählen sie’s nicht weiter.“ Aber auch vor dieser Aktion musste natürlich zunächst einmal die Hürde genommen werden, überhaupt die Hotline oder die Website zu bezwingen, um einen Termin zu erobern. Das kann wer will als gelebte Inklusion betrachten, denn so geht es Impfwilligen ohne Beeinträchtigung schließlich auch.

Fazit: Bis auf weiteres bleibt es auch für Querschnittgelähmte ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang, den vernünftigsten Lösungsweg zur Bekämpfung der Pandemie einzuschlagen. Sollte der begehrte Stoff demnächst in Arztpraxen verfügbar sein, wäre das ein Hoffnungsschimmer. Chronisch Behandlungsbedürftige haben in der Regel ja einen Arzt ihres Vertrauens. Der bringt in den Prozess dann hoffentlich ein, was auf breiter Front kaum irgendwo auszumachen ist: Gesunden Menschenverstand.

Werner Pohl